Die Sonne stand hoch über Two River, doch im Viertel der Geflügelten war sie schon lange nicht mehr die größte Störquelle des Tages.
„Ich schwöre, Sid, wenn du mich noch EINMAL aus dem Fenster anstarrst, während ich esse...“
Chaco saß in seinem Zimmer auf einem wackeligen Hocker vor einem kleinen, schiefen Tisch, der mehr aus zusammengeflicktem Holz als aus wirklicher Stabilität bestand. Sein Mittagstee schwappte über, als er nervös mit den Flügeln zuckte. Eine zitternde Mischung aus Furcht, Paranoia und unverkennbarem geflügeltem Genervtsein.
Auf dem Dach des gegenüberliegenden Hauses saß natürlich der Übeltäter Sid. Regungslos. Starrend. Die Flügel um sich geschlungen wie ein zu großer, finsterer Umhang. Die Augen weit aufgerissen. Wäre der Anblick nicht so bedrohlich gewesen, hätte es fast komisch gewirkt.
Chaco schluckte. Nicht sein Essen, sondern aus Angst. Beide starrten sich nun einige Sekunden lang an.
Sid antwortete nicht. Er grinste. Zähne blitzten. Viel zu viele davon. Dann rutschte er langsam rückwärts hinter den Dachfirst, als wäre er auf Schienen, und war verschwunden. Keine Bewegung, kein Geräusch. Nur Sid eben.
Chaco schob zitternd den Teller zur Seite. „Das ist nicht gesund“, murmelte er. „Für ihn vielleicht normal, aber nicht für normale Geflügelte mit Gehirn. Und definitiv nicht zur Mittagszeit.“
Er nahm trotzdem einen Bissen von seinem Fladenbrot, biss aber statt in Teig in etwas Kaltes, Glitschiges.
Ein Fischauge starrte ihn an. Noch halb lebendig. Vielleicht sogar beleidigt.
„SID!!!“
Der Schrei hallte über die Dächer. Chaco stürmte wütend und angeekelt durchs Haus.
Ein lautes FLAPP FLAPP FLAPP folgte und eine verschwommene Gestalt mit schwarzen Flügeln sauste lachend über die Dächer davon.
Chaco riss die Tür auf und stapfte hinaus. Sie fiel hinter ihm krachend ins Schloss. Ein paar schmierige Brotreste klebten noch an seinem weißen Shirt, Krümel fielen bei jedem Schritt von ihm ab, während er fluchend in die Straße trat.
„Ich bin ein Held des Dunan Bundes, du Mückenhirn! Ich hab gegen Highland gekämpft! Ich bin ein Kriegsveteran! Ich gehörte zur Elite!“
Von irgendwo in der Ferne hallte eine tiefe Stimme:
„Zum Kriegsfutter vielleicht. Ha ha ha!“
Chaco hielt inne. Die Flügel zuckten, seine Augen glänzten wässrig und sein Gesicht nahm die Farbe einer überreifen Tomate an. Dann schüttelte er sich heftig.
„Eines Tages, Sid. Eines Tages... werde ich dich mit einer Gurke bewerfen. Eiskalt. Von oben.“
Chacos Großmutter, die gerade einen Korb mit Pilzen schälte und durch den Lärm aus dem Fenster blickte, sah lächelnd auf ihn herab.
„Du regst dich irgendwann noch so auf, dass du uns davonfliegst“, sagte sie mit einem leisen Kichern.
Chaco rollte mit den Augen und rief zurück:
„Wenn ich davonfliege, dann aber auf eine weit entfernte Insel, Oma. Sid kann sich dann ein neues Opfer suchen.“
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